Impfstoffe verursachen keine Enzephalitis und Enzephalopathien

Die Hypothese

Die Hypothese eines kausalen Zusammenhangs zwischen Impfung und Enzephalitis betrifft insbesondere zwei Impfstoffe: den Masernimpfstoff und den Keuchhustenimpfstoff.

Was die Masernimpfung betrifft, so wurden in den späten 1960er Jahren sporadische klinische Fälle von Enzephalitis/Enzephalopathie kurz nach der Masernimpfung beschrieben (1-3). Im Jahr 1974 veröffentlichte das Journal of the American Medical Association einen Artikel, in dem 84 Patienten beschrieben wurden, die innerhalb von 30 Tagen nach einer Masernimpfung neurologische Symptome aufwiesen (4). Jahre nach dieser Veröffentlichung wurde in einem Artikel in der Zeitschrift Pediatrics (5) eine Reihe von Fällen von Enzephalitis beschrieben, die zwischen 5 und 15 Tagen nach der Masernimpfung auftraten.

Was die Keuchhustenimpfung betrifft, so wurde im Januar 1974 ein Artikel über eine Reihe von 36 Fällen britischer Kinder veröffentlicht, die nach Angaben der Autoren durch die Keuchhustenimpfung schwere neurologische Komplikationen erlitten (6).

Wissenschaftliche Beweise, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfstoffen und Enzephalitis widerlegen

Der Artikel aus dem Jahr 1974 über den angeblichen Zusammenhang zwischen Keuchhustenimpfstoff und Enzephalitis sorgte in Großbritannien für große Aufregung und eine Reihe von Diskussionen über die Sicherheit des damals für die Impfung verwendeten Ganzzell-Pertussis-Impfstoffs.

Die Durchimpfungsrate für Keuchhusten im Vereinigten Königreich sank rapide, und bis Anfang der 1980er Jahre folgten drei Epidemien mit über 100 000 Fällen und etwa 40 Todesfällen (7). In dieser Zeit rieten viele Ärzte ihren Patienten von der Impfung ab (7).

Um diese Hypothese zu überprüfen entstand aus der wissenschaftlichen Diskussion um den Zusammenhang zwischen heraus eine Initiative, die die Durchführung einer epidemiologischen Studie förderte über einen möglichen Zusammenhang zwischen Keuchhustenimpfung und Enzephalitis zu prüfen, die National Childhood Encephalopathy Study, (8). Die betreffende Studie, eine Fall-Kontroll-Studie, deutete auf einen bescheidenen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und dauerhaften neurologischen Ereignissen hin, die als Enzephalitis/Enzephalopathie klassifiziert werden können, wobei die absolute Zahl bei 1 dauerhaften neurologischen Schaden pro 310.000 Dosen lag (8). Dieselbe britische Studie ergab nach einer erneuten Analyse der Daten zwar einen leichten Anstieg der neurologischen Ereignisse kurz nach der Impfung, aber einen Rückgang dieser Ereignisse in der Folgezeit (9). In einem bekannten Leitartikel aus dem Jahr 1990 kam Jim Cherry zu dem Schluss, dass die Einführung neuer, weniger reaktogener Impfstoffe notwendig sei, und zwar nicht wegen eines möglichen Zusammenhangs mit Enzephalopathie, sondern um eine Reihe relativ häufiger, aber nicht schwerwiegender Nebenwirkungen wie Fieber, anhaltendes Schreien und Episoden von Hypotonie zu verringern (10).

Im Jahr 1993 kam das Institute of Medicine nach Prüfung der verfügbaren Literatur zu dem Schluss, dass die vorliegenden Beweise für einen Zusammenhang zwischen Masern- und Keuchhustenimpfstoff und Enzephalopathie sprechen, auch wenn die Beweise selbst nicht als schlüssig angesehen werden können und nicht ausreichen, um einen Kausalzusammenhang festzustellen (11).

Mitte der 1990er Jahre entschieden sich die meisten Industrieländer für den azellulären Pertussis-Impfstoff.

Es wurden weitere Studien durchgeführt, um Fälle von Enzephalopathie und deren Zusammenhang mit Keuchhusten- und Masernimpfungen rückwirkend zu bewerten.

Eine 2004 veröffentlichte Studie zeigte, dass auf der Grundlage von Daten, die von einem kanadischen Überwachungssystem für unerwünschte Reaktionen auf Impfungen gesammelt wurden, in 7 Fällen, die zunächst als Verdacht auf Keuchhusten-Impfstoff-Enzephalopathie identifiziert wurden, immer eine korrekte Diagnose gefunden wurde, die den ursprünglichen Verdacht widerlegte (12).

In einer 2006 in den Vereinigten Staaten durchgeführten retrospektiven Studie wurden 452 Fälle von Kindern mit Enzephalopathie analysiert: Ihre Impfanamnese wurde mit der von gesunden Kindern desselben Alters und derselben Herkunft verglichen, und es wurde festgestellt, dass Kinder mit Enzephalopathie nicht häufiger als gesunde Kontrollpersonen gegen Masern oder Keuchhusten geimpft worden waren.

Eine ähnliche Studie wie die vorhergehende, die vor kurzem veröffentlicht wurde (13), bestätigte die gleichen Schlussfolgerungen.

Schlussfolgerungen

Obwohl das Risiko einer Enzephalitis nach einer Impfung gegen Masern und Keuchhusten als biologisch plausibel angesehen wird, hat keine Studie das Vorhandensein eines kausalen Zusammenhangs bestätigt.

Quellen / Bibliographie
  1. Pestri T. Encephalitis after live measles virus vaccine. Can Med Assoc J. 1966 May 21;94(21):1133.
  2. Schneck SA. Vaccination with measles and central nervous system disease. Neurology. 1968 Jan;18(1 Pt 2):78-82.
  3. Barbor PR, Grant DB. Encephalitis after measles vaccination. Lancet. 1969 Jul 5;2(7610):55-6.
  4. Landrigan PJ, Witte JJ. Neurologic disorders following live measles-virus vaccination. JAMA. 1973 Mar 26;223(13):1459-62.
  5. Weibel RE, Caserta V, Benor DE, Evans G. Acute encephalopathy followed by permanent brain injury or death associated with further attenuated measles vaccines: a review of claims submitted to the National Vaccine Injury Compensation Program. Pediatrics. 1998 Mar;101(3 Pt 1):383-7.
  6. Kulenkampff M, Schwartzman JS, Wilson J. Neurological complications of pertussis inoculation. Arch Dis Child 1974;49:46–9.
  7. Baker JP. The pertussis vaccine controversy in Great Britain, 1974–1986. Vaccine 2003, 21:4003-10
  8. Alderslade D, Bellman MH, Rawson NSB, Ross EM, Miller, DL. The national childhood encephalopathy study: a report of 1000 cases of serious neurological disorders from the NCES research team. Whooping Cough 1981;80–149
  9. MacRae KD. Epidemiology, encephalopathy, and pertussis vaccine. In: FEMS Symposium pertussis. Proceedings of the Conference Organized by the Society of Microbiology and Epidemiology of the GDR. April 22, 1988, Berlin
  10. Cherry JD. 'Pertussis vaccine encephalopathy': it is time to recognize it as the myth that it is. JAMA. 1990 Mar 23-30;263(12):1679-80. Erratum in: JAMA 1990 Apr 25;263(16):2182. PubMed PMID: 2308206
  11. Cowan LD, Griffin MR, Howson CP, Katz M, Johnston RB Jr, Shaywitz BA, Fineberg HV. Acute encephalopathy and chronic neurological damage after pertussis vaccine. Vaccine. 1993 Nov;11(14):1371-9. Review. PubMed PMID: 7906066
  12. Moore DL, Le Saux N, Scheifele D, Halperin SA; Members of the Canadian Paediatric Society/Health Canada Immunization Monitoring Program Active (IMPACT). Lack of evidence of encephalopathy related to pertussis vaccine: active surveillance by IMPACT, Canada, 1993-2002. Pediatr Infect Dis J. 2004 Jun;23(6):568-71. PubMed PMID: 15194842
  13. Pahud BA, Rowhani-Rahbar A, Glaser C, Gavali S, Salibay CJ, Fireman B, Dekker CL. Lack of association between childhood immunizations and encephalitis in California, 1998-2008. Vaccine. 2012 Jan 5;30(2):247-53
  14. Ray P, Hayward J, Michelson D, Lewis E, Schwalbe J, Black S, Shinefield H, Marcy M, Huff K, Ward J, Mullooly J, Chen R, Davis R; Vaccine Safety Datalink Group. Encephalopathy after whole-cell pertussis or measles vaccination: lack of evidence for a causal association in a retrospective case-control study. Pediatr Infect Dis J. 2006 Sep;25(9):768-73. PubMed PMID: 16940831